CHEMISCHE UND BIOLOGISCHE SCHÄDLINGSBEKÄMPFUNG – UNTERSCHIEDE IM ÜBERBLICK
- Juli 5, 2021
- Verfasst von Daniel Schröer
- 7 min. Lesezeit
- Pest Control

Auf einen Schädlingsbefall reagieren Schädlingsbekämpfer auch heute noch oft mit der Chemiekeule – Giftköder gegen Ratten und Mäuse, synthetisches Nervengift (Pyrethroide) gegen Mehlmotten, Akarizide gegen Milben, etc. Selbst zur Vorbeugung war der Einsatz chemischer Mittel lange gängige Praxis (und ist es teilweise auch heute noch). Allerdings werden die gesetzlichen Vorschriften rund um den Einsatz von Bioziden und Pestiziden immer strenger. Das betrifft in besonderem Maße die Lebensmittelindustrie, aber auch andere Branchen.
Durch diesen Trend gewinnen Alternativen zur chemischen Schädlingsbekämpfung immer mehr an Bedeutung. Eine mögliche Alternative liegt in der biologischen Schädlingsbekämpfung. Was darunter genau zu verstehen ist und wann sich welcher Ansatz eignet, erfahren Sie in diesem Artikel.
DAS VERSTEHT MAN UNTER CHEMISCHER SCHÄDLINGSBEKÄMPFUNG
In der chemischen Schädlingsbekämpfung wird – wie der Name schon sagt – mit Chemikalien gegen bestimmte Organismen vorgegangen. Dabei gibt es gegen jeden Schädling, bzw. jede Gruppe von Schädlingen, ein Gift (Rodentizide gegen Nager, Insektizide gegen Insekten, etc.).
Oft gilt die chemische Schädlingsbekämpfung als besonders effektiv. Das ist sie allerdings nur, wenn …
- die richtigen Chemikalien,
- in der richtigen Menge,
- am richtigen Ort ausgebracht werden,
- vom Schädling aufgenommen werden,
- und der Schädling noch keine Resistenzen entwickelt hat.
Hintergründe zu den Auswirkungen chemischer Schädlingsbekämpfung:
Der Trend zur giftfreien Schädlingsbekämpfung hat einen guten Grund: Bei den meisten Bioziden (zum Beispiel bei denen in Ratten- und Mäusegiften) handelt es sich um vPBT-Stoffe. Diese sind persistent, bioakkumulativ und toxisch. Sie vergiften den Schädling, aber auch andere Organismen, die direkt oder indirekt mit ihnen in Berührung kommen. So leiden beispielsweise Greifvögel unter Sekundärvergiftungen, nachdem sie vergiftete Nager gefressen haben. Auch in offenen Gewässern und Fischen wurden besorgniserregend hohe Konzentrationen an PBT-Stoffen nachgewiesen. Mehr Informationen zum Thema finden Sie u. a. in dieser Studie des Umweltbundesamtes.
Nicht nur das Umweltbundesamt und die Gesetzgebung legen Wert auf ein weitestgehend giftfreies Vorgehen in der Schädlingsbekämpfung, auch internationale Standards wie der IFS Food schränken die Nutzung von chemischen Mitteln ein.
Beispiele für chemische Schädlingsbekämpfung
Ein ganz typisches Beispiel für den Einsatz chemischer Schädlingsbekämpfungsmittel ist das Ausbringen von Rattengift in der Kanalisation. Hierbei soll die Rattenpopulation dezimiert werden, indem Gullis ständig mit Giftködern bestückt sind. (Lesen Sie hier, warum dieser Ansatz längst überholt ist und welche Alternativen es gibt.) Auch in Betrieben mit sehr schwierigen Hygienevoraussetzungen (zum Beispiel Müllverbrennungsanlagen) kann dauerhaft zu einer Beköderung mit Bioziden gegriffen werden.
Vorteile
- Wirken schnell und relativ effektiv
Nachteile
- Hohe Umweltbelastung (Gifte verteilen sich in der Umwelt und schaden anderen Tieren und letztendlich auch dem Menschen)
- Schädlinge können Resistenzen entwickeln
- Packen das Problem nicht an der Wurzel und sind daher nicht nachhaltig
- Oft hoher Arbeitsaufwand, da Gift immer wieder ausgebracht werden muss
- Sind gesetzlich nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen zulässig
- Einsatz kann bei Audits (z. B. nach IFS) zu Abweichungen führen
→ Die chemische Schädlingsbekämpfung ist ein bisschen wie Fast Food: Schnell und einfach (und manchmal die einzige Option), aber ungesund und keine Lösung auf lange Sicht.
DEFINITION BIOLOGISCHE SCHÄDLINGSBEKÄMPFUNG
In der biologischen Schädlingsbekämpfung (auch als natürliche Schädlingsbekämpfung bekannt) werden Lebewesen und Viren zur Bekämpfung bestimmter Schädlinge eingesetzt. In der Regel sind diese Lebewesen natürliche Feinde der Schädlinge (sogenannte Nützlinge). In der Forschung wird auch mit genetischen Modifikationen einer schädlingen Spezies oder dem Einsatz von eigens entwickelter Viren experimentiert. In dem Alltag eines Schädlingsbekämpfers spielen solche Ansätze der biologischen Schädlingsbekämpfung jedoch keine Rolle.
Beispiele für die biologische Schädlingsbekämpfung
Wer auf Methoden biologischer Schädlingsbekämpfung setzt, lässt sozusagen die Natur für sich arbeiten. Ein großartiges Beispiel dafür ist der Aufbau von Sitzstangen für Raubvögel neben oder auf einem Gelände, auf dem Nager wie Ratten und Mäuse bekämpft werden sollen. Ganz wichtig dabei: Sollen Raubvögel die Schädlinge fressen, dürfen auf gar keinen Fall gleichzeitig Biozide eingesetzt werden. Denn wie bereits erwähnt, würde das Gift die Raubvögel mit beeinträchtigen.
An diesem Beispiel werden die so wichtigen Wechselwirkung in einem Ökosystems deutlich. Ein weiterer Grund, so selten wie möglich zu Chemikalien zu greifen.
Vorteile:
- Giftfrei und somit umweltschonend
- Stärkt natürliche Ökosysteme
- Der Mensch muss weniger eingreifen, dadurch zeitsparend und kosteneffizient
- Nachhaltig
Nachteile:
- Werden Tiere neu in ein Ökosystem eingeführt, können unerwartete und unerwünschte Folgen eintreten (Beispiel: die Aga-Kröte wurde in Australien zur Bekämpfung von Zuckerrohrschädlingen eingesetzt, wurde dann aber selbst zur Plage und zu einem Schädling.)
- Zeitverzögerte Wirkung
WICHTIG: DIE PRÄVENTION NICHT VERGESSEN!
Egal, ob chemische oder biologische Bekämpfungsmaßnahmen – im besten Fall kommt es gar nicht erst zu einem kritischen Befall. Die Prävention durch Hygienemaßnahmen und bauliche Maßnahmen (also Reinigung von Arbeitsflächen, das Anbringen von Fliegengittern oder Abdichten von Rohrdurchbrüchen) sollte immer die Basis eines Konzeptes zur Schädlingsbekämpfung bilden.
In der IPM-Pyramide fallen biologische Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen unter „biologische Kontrollen” und stehen somit zwischen den klassischen Präventionsmaßnahmen und dem Einsatz von Giften. Das bedeutet, dass sich biologische und chemische Schädlingsbekämpfung ergänzen können, zunächst jedoch alle giftfreien Wege ausgeschöpft sein sollten, bevor Biozide, Pestizide und Co. zum Einsatz kommen.

FAZIT
Nach und nach werden die Folgen chemischer Schädlingsbekämpfung für die Umwelt immer sichtbarer. Gleichzeitig steigt das Bewusstsein für Umweltschutz und das Bestreben, weniger invasiv in natürliche Systeme einzugreifen. Die Notwendigkeit für giftfreie Ansätze in der Schädlingsbekämpfung wird also weiter wachsen – und biologische Methoden sind dabei so spannend wie erprobt.
Die biologische Schädlingsbekämpfung erinnert ein wenig an andere „Back to the Roots”-Trends wie Barfußschuhe für Läufer, hausgemachtes Sauerteigbrot als Lockdown-Projekt oder die Wiederkehr des guten alten Kräutergartens … Auch in der Forstwirtschaft werden alte Ansätze für eine nachhaltige Waldwirtschaft wiederentdeckt, die zwar unsere Großeltern noch kannten, die in den letzten Jahrzehnten jedoch in Vergessenheit gerieten (z. B. Bäume unter Berücksichtigung des forstwirtschaftlichen Mondkalenders fällen, um u.a. Schädlingsbefall zu verhindern).
Letztendlich ist die biologische Schädlingsbekämpfung weder neu noch sonderlich innovativ. Katzen und Eulen helfen schließlich seit jeher beim Mäusefang. Und so liefern diese Ansätze auch heute effektive und oft denkbar einfache Möglichkeiten, Schädlinge in Schach zu halten.