Ep.44 Der AIB Standard, Audits & Schädlingsbekämpfung – Teil 1

Viele ‚Talking Pest Management‘ Hörer haben sich in den letzten Wochen einen Gast vom Amerian Institute of Baking (kurz: AIB) gewünscht. Der AIB Standard gilt als einer der wichtigsten und detailliertesten Standards in der Lebensmittelindustrie. Insbesondere für international tätige Unternehmen ist dieser Standard essenziell, um sich im Weltmarkt behaupten zu können. Mit Thomas Auer vom AIB konnten wir einen sehr erfahrenen Auditor für uns gewinnen, der sich den Fragen von Daniel Schröer stellt. 

Das American Institute of Baking wurde 1919 gegründet und blickt auf über 100 Jahre Firmenhistorie zurück. Zunächst gegründet als Dienstleiter für die Back-Industrie, kam nur kurze Zeit später ein Audit-Service zum Angebot des AIB hinzu, aus dem sich der heute international anerkannte AIB Standard entwickelt hat. Im Jahr 2021 beschäftigt das AIB über 100 Auditoren, die in über 120 Ländern weltweit auditieren. Einer davon ist Thomas Auer, der bereits seit über 14 Jahren als Auditor tätig ist. 

Thomas hat, bevor er vor fast 15 Jahren bei AIB eingestiegen ist, für ein großes Molkerei- Unternehmen in Paris die Audits koordiniert, bis er irgendwann ganz unkonventionell an den General Manager von AIB herangetreten ist, ob es eine Möglichkeit gibt, dort Auditor zu werden. Er berichtet, dass er damals zum Start zunächst für eine 14-tägige Schulung in die USA geflogen ist. Heute kann dieser erste Schritt als Einstieg beim AIB auch in Europa stattfinden. 

Der Einstieg als Auditor 

Neue Auditoren begleiten in den ersten drei Monaten ihrer Tätigkeit unterschiedliche Kollegen in mehreren Kundensituationen und starten damit Teilbereiche zu prüfen. Im Anschluss stehen selbständige Audits unter dem Blick erfahrener Kollegen an, bevor als „Feuertaufe“ ein Audit unter Prüfung des General Managers stattfindet. Auch danach werden noch alle Berichte für einige Monate gegengelesen. Mit dieser umfangreichen Ausbildung gewährleistet das AIB die sehr hohe Qualität in den Audits. 

Daniel berichtet, dass der AIB Standard aus seiner eigenen Wahrnehmung das „Nonplusultra“ im Markt ist und bittet Thomas genauer auf die Details des Standards einzugehen. 

Der AIB-Standard teilt sich in fünf Kapitel auf: 

  1. Betriebsmethoden und Personalpraktiken 
  2. Aufrechterhaltung der Lebensmittelsicherheit 
  3. Reinigungspraktiken 
  4. Integrierte Schädlingsbekämpfung 
  5. Eignung der Voraussetzungs- und Lebensmittelsicherheitsprogramme 

Den Schwerpunkt im Gespräch wollen Daniel und Thomas auf die integrierte Schädlingsbekämpfung legen. Im Unterschied zu vielen anderen Standards ist die Schädlingsbekämpfung beim AIB in einem eigenen Kapitel festgehalten. Zu einer der besonderen Anforderungen im Hinblick auf die Schädlingsbekämpfung gehört beim AIB, dass im Innenbereich kein Gift eingesetzt werden darf. Stattdessen wird der Einsatz von mechanischen Fallen oder Legefallensystemen empfohlen. 

Ausgeklügeltes Punktesystem 

Im Rahmen der Prüfung von Unternehmen setzt das AIB ein ausgeklügeltes Punktesystem ein. In jedem Kapitel lassen sich 200 Punkte erreichen, in Summe also 1.000 Punkte. Die Bewertung erfolgt in 5-Punkte-Schritten. Das Wort, dass bei einem Audit niemand hören möchte, lautet: ‚unsatisfactory‘. Gleichbedeutend mit ‚nicht bestanden‘. In jedem Kapitel müssen zur Anerkennung mindestens 135 Punkte erreicht werden, unabhängig von den Ergebnissen in den anderen Kapiteln. 

Darüber hinaus gibt es auch einige automatische Ausschlussfaktoren, die zum ‚unsatisfactory‘ führen. Dazu zählen zum Beispiel auffällig viele Haus- oder Fruchtfliegen, gesichtete Nagetiere, Schaben im Produktumfeld oder Pestizide, die nicht im Einklang mit den Vorgaben verwendet werden, also zum Beispiel unsachgemäß entsorgt werden. 

Daniel und Thomas blicken im Laufe des Gespräches genauer auf die integrierte Schädlingsbekämpfung und besprechen die Einflüsse anderer Teilbereiche darauf. Thomas stellt heraus, dass die Gebäudehülle der wichtigste Punkt für eine erfolgreiche Schädlingsbekämpfung ist. Auch vegetationsfreie Streifen rund um Firmengebäude sind aus seiner Sicht sehr relevant und spielen eine wichtige Rolle für die Schädlingsbekämpfung. 

Eine Systematik die immer wieder Anwendung findet, ist die sogenannte ‚ICE Methodik“.
Diese steht für:
I = Identification 
C = Control 
E = Elimination 

Zwischen Schädlingsbekämpfer und Kunde sollte es aus Thomas Sicht zudem eine echte Partnerschaft geben. Er rät Unternehmen dazu, langfristig an Dienstleistern festzuhalten, da es aus seiner Sicht viel relevanter ist, dass der Schädlingsbekämpfer den Betrieb gut kennt, als regelmäßig den günstigsten Anbieter auszuwählen. 

Holistische Betrachtung der integrierten Schädlingsbekämpfung 

Die beiden gehen im weiteren Gespräch auf eine aktuelle CEPA-Kampagne ein, die die Schädlingsbekämpfung aufgrund der Komplexität als holistisch betrachtet und das Vorgehen beim „Integrated Pest Management“ als Pyramide (Hülle, Hygiene, Monitoring, Control) sieht. Diese Sichtweise deckt sich mit der Philosophie des AIB. 

Bei dem Blick auf die Entwicklung der Branche in den letzten fünf bis zehn Jahren stellt Thomas vor allen Dingen heraus, dass fast alle Dokumentationssysteme heute digital sind, während früher noch das meiste über Papier lief. Auf die Frage von Daniel, ob er im Markt ähnliche revolutionäre Marken wie Airbnb, WhatsApp oder Uber sieht, entgegnet Thomas, dass er die Angebote eher breiter gestreut wahrnimmt, da viele Unternehmen auch hauseigene Software nutzen. 

Das übergeordnete Ziel 

Als übergeordnetes Ziel von AIB sieht Thomas, den Kunden zu ermöglichen gesunde und hygienisch einwandfreie Lebensmittel herstellen zu können. Einen Audit sieht er dann als erfolgreich ein, wenn Probleme gefunden und behoben werden können und nicht möglichst viele Punkte erreicht werden. 

Ein weiterer Dienstleistungsbaustein vom AIB um dieses Ziel zu erreichen, sind die hauseigenen Schulungen. Dabei agiert das Institut thematisch sehr frei und kann sich auf unterschiedliche Kundensituationen einstellen. Vor dem allerersten Audit würde Thomas immer eine Schulung empfehlen. Diese sehen oft so aus, dass Betriebe in Kleingruppen besichtigt werden, Bilder gemacht werden und die Ergebnisse in der gesamten Gruppe besprochen werden. Dies steigert auch die Awareness von Mitarbeitern. Auch für Schädlingsbekämpfer bietet das AIB Schulungen an.

Im zweiten Teil des Interviews blicken Daniel und Thomas in die Zukunft: Wie sieht die Schädlingsbekämpfung in den nächsten fünf bis zehn Jahren aus? Welche Einflüsse haben die Trendthemen Digitalisierung und Nachhaltigkeit, besonders im Hinblick auf das Einhalten von gesetzlichen Rahmenbedingungen? Außerdem sprechen die beiden über die häufigsten Fehler im Rahmen der Schädlingsbekämpfung.

Wenn Euch Teil 1 gefallen hat, solltet ihr Euch Teil 2 also nicht entgehen lassen.